Für mich war es jahrelang irgendwie
unmöglich, sich vorzustellen, dass die Welt
eines Tages ohne diese besondere Frau leben
müsste. Sie, Queen Elisabeth II. war stets in
unserem Leben, wurde zur Großmutter einer
ganzen Nation und blieb eine Zeitzeugin eines
ganzen Jahrhunderts. Je älter sie nun wurde,
umso mehr wollte man die Wahrheit, dass auch
der Tod vor dieser würdevollen Dame nicht Halt
machen würde, verdrängen. Sie war ja schon
immer da, also kann sie doch unmöglich eines
Tages nicht mehr da sein!
Das Undenkbare ist nun
am 8. September 2022, unerwartet schnell, auf
Schloss Balmoral in Schottland passiert. Sie,
unsere Queen, die am längsten amtierende
Monarchin der Welt, ist im stolzen Alter von
96 Jahren entschlafen. Ein ganzes Land ist
schlagartig in Schockstarre verfallen – der
Ausruf „London Bridge is down“ – hallte wohl
in jedem nach. Ihren einstigen Untertanen ist
ein Familienmitglied genommen worden, ebenso
wie der royalen Familie selbst.
Für viele war
die Queen bereits zu ihrer eigenen Geburt
schon Monarchin, erlebte ihre Hochzeiten mit,
die Geburt der eigenen Kinder, die dann
ihrerseits die Queen nur als ihre Königin
kennenlernten. Neue Familien wurden gegründet,
neue Kinder geboren und alle kannten nur sie -
ihre Queen.
Sie überstand
selbst ein halbes Dutzend Päpste und sah ganze
15 Premierminister und drei
Premierministerinnen kommen und etliche auch
wieder gehen. Winston Churchill, Margaret
Thatcher, Tony Blair, Theresa May, Boris
Johnson sind nur einige davon. Nur zwei Tage
vor ihrem Tod hatte sie noch die amtierende
Premierministerin Liz Truss mit der
Regierungsbildung beauftragt. Es war also auf
eine völlig irrationale Weise niemals
vorstellbar, dass diese hochbetagte Monarchin
einmal sterben könnte. Nicht so schnell, gar
so plötzlich!
Dennoch, als
der Palast mitteilte, dass der
Gesundheitszustand Ihrer Majestät ein Grund
zur Sorge sei, und Limousinen der
Familienmitglieder im Eiltempo nach Schottland
fuhren, ahnte ich bereits nichts Gutes. In
Gedanken nahm ich Abschied von ihr. Nur wenige
Stunden später wurde es bittere Gewissheit:
Die Queen ist tot! King Charles III. wird
fortan diese Familie zusammenhalten müssen,
und dabei fehlt ihm das bedeutendste Juwel
seiner Krone – seine Mutter.
Seit dem 8. September steht das britische Volk
sowie royale Anhänger auf der ganzen Welt in
Trauer vereint beisammen. Es sind Momente für
die Ewigkeit, die keiner erleben wollte, und
die sich unbarmherzig in unser Bewusstsein
brennen. Trauergottesdienste in Edinburgh, die
Prozession in London, der Sarg aufgebahrt in
der Westminster Hall – Bilder, die Historie
schreiben! Flaggen wehen auf Halbmast, der
Union Jack ist gesenkt, Blumenmeere vor den
royalen Anwesen und Botschaften in der ganzen
Welt.
Auch wir
legten Blumen nieder vor der britischen
Botschaft hier in Berlin. Es war unser
persönlicher Moment ihrer Ehrung und Ausdruck
unserer Verehrung, der jede bittere Träne
rechtfertigt.
Die ewige
Monarchin gab den Menschen eine Beständigkeit
und führte sie durch etliche Jahre schwieriger
Weltpolitik hindurch. Sie besaß eine eigene
politische Meinung, wenngleich sie diese nur
einmal im Falle Margaret Thatchers öffentlich
machte. In späteren Jahren fand sie Wege, die
Monarchie menschlicher und verletzlicher zu
zeigen. Prinz Philip ebnete ihr den Weg zu den
Medien und hat in meinen Augen die Moderne mit
in die verstaubten Räume des Palastes
gebracht. Ihre Familienbiographie hat Risse,
Sprünge erhalten, und dennoch lernte die
Queen, dass Fehlentscheidungen auch zugegeben
werden können, und ging mit der Zeit.
Wie groß ihr
Einfluss auf die Politik wirklich war in den
70 Jahren ihrer Regentschaft, dürfte wohl erst
in rund 100 Jahren nach der Freigabe der
privaten Papiere bekannt werden. Sie gab sich
oftmals als die Unnahbare, um das Rätselhafte
ihrer Person und die Magie der Monarchie zu
bewahren. Zu viel Emotionales war ihr fremd,
nur wenige Male rang sie in der Öffentlichkeit
mit den Tränen. 1997 forderte das Volk eine
Monarchin, welche um die einstige
Schwiegertochter trauert. Sie hingegen sah den
Schutz der Enkel und die Trauer als etwas
Privates an. Schließlich holte Tony Blair die
royale Familie nach London zurück, wo ein
ganzes Volk seiner Trauer und seinem Mitgefühl
über den Tod Lady Dis Ausdruck verlieh.
Ja, sie
konnte aus ihren Fehlentscheidungen lernen und
sich dann nahbar zeigen und Sympathien
zurückgewinnen. Sie sprach zum Volk als Queen,
als Mutter des einstigen Ehemannes und als Oma
von William und Harry und ehrte Diana als den
Menschen, der sie war – jemand Besonderes.
Wie
verletzlich sie doch selbst war, wurde
deutlich zur Trauerfeier ihres geliebten
Mannes Prinz Phillip. Ganz alleine musste sie
in ihrer Bank sitzen und voller Tränen ihren
geliebten Philip zu Grabe tragen. Er war ihre
wichtigste Stütze, fast 74 Ehejahre immer an
ihrer Seite stehend, und war plötzlich nicht
mehr da. Eine Liebe fürs Leben endete abrupt.
Sie litt
massiv unter dem Verlust, erholte sich wohl
nie mehr ganz davon. Nach einer zweiwöchigen
Trauerzeit begann sie wieder zu arbeiten.
„Lass es uns angehen“, so lautete das Motto in
der ältesten Generation der Windsors. Sie war
diszipliniert, und in der Arbeit lag wohl auch
ein Mittel, den Schmerz zu bewältigen. Was nur
Wenige wissen durften, körperlich ging es ihr
bereits seit Monaten schon schlecht.
Zeit ihres
Lebens übte Elizabeth II. mit stoischer Ruhe,
viel Symbolik und strenger Disziplin ihren
Dienst am Volk aus. In den Augen ihrer
Untertanen und Bewunderer stand sie als
menschgewordenes Symbol für Tugenden wie
Hingabe, Pflichtbewusstsein und
Standhaftigkeit. Gleichwohl überstand sie
damit die schlimmsten Skandale und verlieh der
Monarchie auch in der heutigen Zeit eine
gefühlte Relevanz.
Königin
Elizabeth II. schwebte förmlich über allem!
Nun ist sie
gegangen! Sie hat ihre Ruhe gefunden und wird
mit ihrem Philip am Montag, dem 19. September
2022, in Windsor Castle vereint.
Bereits vor
acht Jahren überholte sie Queen Victoria mit
der längsten Regentschaft. Anzumerken sei
jedoch, dass während der Regentschaft ihrer
Ururgroßmutter das goldene Zeitalter
Britanniens anbrach. Unter der Herrschaft
Elizabeths II. jedoch ist trotz aller
Bestrebungen das Empire eher zerfallen und die
weltpolitische Macht und der Einfluss des
einstigen Weltreichs gesunken. Nicht zuletzt
hat der Brexit der Außenwirkung massiv
geschadet, hat sich Großbritannien dadurch
isoliert von Europa und der Weltpolitikbühne.
Was bleibt,
ist ein zutiefst zerrüttetes Land mit etlichen
Abspaltungsgesuchen.Nun ist es an ihrem Sohn,
King Charles III., das Andenken an seine
Mutter zu bewahren und als neuer Souverän sich
als würdig zu behaupten. Gott schütze den
König!
Ich verneige
mich voller Respekt und Ehrfurcht vor Ihnen,
Your Majesty!
Mögen Sie nun Ihre Ruhe finden!
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